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„Flucht zum Crater Lake“
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„Flucht zum Crater Lake“
Ein schriller Ton gellte durch OP 3.
Anna sah die Nulllinie auf dem EKG-Monitor und erstarrte. »Häng noch zwei Blutkonserven an. Wir haben die Blutung gleich gestoppt«, sagte sie und presste den Doppeltupfer auf die Pulmonalarterie des polytraumatisierten Motorradfahrers, um dessen Leben sie seit vier Stunden mit ihrem Team kämpfte. »Klemme und Tupfer, schnell!«
Die OP-Schwester drückte ihr die Instrumente in die Hand.
»Die allerletzte Konserve ist durch«, sagte der Narkosearzt und lugte über die grüne Trennwand.
Dr. Anna Behringer sah ihn an. »Das ist nicht wahr! Ihr habt kein Blut mehr?«
»Er hat jede Blutkonserve aus ganz Frankfurt bekommen. Es tut mir leid, aber wir haben ihn verloren.«
Mit einem leisen Zischen atmete Anna hinter ihrem Mundschutz aus, um ihre Anspannung zu lösen. Sie starrte auf den muskulösen toten Körper des jungen Mannes auf dem OP-Tisch. Du hast verloren, Anna. Alles versucht, aber verloren.
Sie schloss die Lider und schluckte, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
Warum nur ist das Leben manchmal so ungerecht? Du hättest noch so viel Zeit haben können.
»Exitus um vier Uhr zwölf«, sagte der Anästhesist und stellte Beatmungsmaschine und Monitor ab.
Es war totenstill im Saal. Der gellende Ton hallte noch immer in ihren Ohren nach. Langsam öffnete sie die Augen und sah, dass sie den Doppeltupfer noch immer in der Hand hielt. Reiß dich zusammen, du bist hier die Oberärztin und musst jetzt die anderen aufbauen.
Sie räusperte sich und reichte der OP-Schwester das Instrument. »Danke für die Unterstützung.« Dann nickte sie ihren beiden Assistenten, dem Narkosearzt und dem Anästhesiepfleger zu. »Wir haben alles getan, was möglich war, und müssen uns nichts vorwerfen. Ich danke euch für euren Einsatz.«
Sie trat vom OP-Tisch zurück, warf ihren OP-Kittel in den Abfall und betrat den Waschraum. Am Waschbecken sah sie im Spiegel die dunklen Ringe unter ihren Augen. Mit einem Ruck riss sie den Mundschutz ab, drehte den Wasserhahn auf und schüttete sich zwei Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Für einen Moment starrte sie auf das gurgelnd abfließende Nass. Genauso war ihr das Leben des Mannes durch die Finger geronnen. Notdürftig trocknete sie sich mit einem Papierhandtuch ab und betrat den Aufenthaltsraum. Erschöpft sank sie auf den erstbesten Plastikstuhl und goss sich einen lauwarmen Kaffee ein.
»Aussichtsloser Fall. Von Anfang an. War dir das nicht klar?«
Anna schaute hoch. Sie hatte ihren Mann nicht kommen gehört. »Wer hat dich informiert?«
Dr. Paul Behringer rümpfte die Nase und sah durch halbgeschlossene Lider auf sie herab.
»Ich bin der Chef dieser Abteilung. Ich weiß alles.«